Taktikgespräche: Das Dilemma der Entwickler

Mort denkt über die Erwartung nach, als Entwickler einen hohen Rang innezuhaben.

Kurz und bündig: In diesem Entwickler-Blog spreche ich über die drei Gründe, aus denen es für die Entwicklung eines guten Spiels nicht relevant ist, dass seine Entwickler zu den besten Spielern dieses Spiels zählen.

Hi, ich bin Mort, der leitende Spieldesigner von Teamfight Tactics. Heute möchte ich über die Erwartungen an Spieldesigner sprechen. Und diese Geschichte beginnt damit, dass es mir endlich gelungen ist, die Herausforderer-Klasse zu erreichen. Da „Automaten und Apparate“ unser bisher dynamischstes Set ist, wollte ich mir selbst endlich beweisen, dass ich die Herausforderer-Klasse erreichen kann. Ich musste jede Menge Spiele absolvieren und bin so knapp an einem Burnout vorbeigeschrammt wie nie zuvor, aber ich bin froh, endlich von mir behaupten zu können, unter den 250 besten Spielern meiner Region gewesen zu sein. Aber ich werde das Selbstlob für einen anderen Beitrag aufsparen, denn heute möchte ich über die Erwartung sprechen, dass man ein Spiel sehr gut beherrschen muss, um an ihm arbeiten zu können.

Die Erwartung, als Entwickler zu den besten Spielern eines Spiels gehören zu müssen, gilt für die gesamte Industrie und nicht nur für TFT oder League of Legends. Mir wurde immer wieder vorgeworfen, meine Behauptungen als Entwickler hätten keine Gültigkeit, da ich kein Spieler der Herausforderer-Klasse bin. Ich musste dabei zusehen, wie Mitarbeiter verhöhnt wurden, weil sie nur die Diamant-Klasse (die in etwa aus den Top 4 % aller Spieler eines Servers besteht) erreicht hatten. Und ich musste mitansehen, wie die Entwickler anderer Spiele mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert wurden. Und das ist lächerlich.

Daher möchte ich heute über die drei Hauptgründe sprechen, aus denen wir von Entwicklern nicht verlangen sollten, zu den besten Spielern ihres Spiels zu zählen.

  1. Zeitaufwand
  2. Designverbesserungen
  3. Verständnis für die Zielgruppe

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Zeitaufwand

Spieleentwickler arbeiten mehr als 40 Stunden pro Woche und obwohl sie einen kleinen Teil dieser Zeit auch für Spieltests aufwenden, finden diese Tests nie auf Live-Servern statt. Stattdessen finden sie meistens in Szenarien statt, in denen wir unser Bestes geben, um Spielfehler zu erzwingen und herauszufinden, was funktioniert und was nicht. Dabei testen wir zukünftige Versionen des Spiels wie den nächsten Patch, die nächste Set-Aktualisierung oder sogar das nächste vollständige Set – was beim Erklimmen der Rangliste der Live-Server nicht gerade hilfreich ist. Während dieser 40-Stunden-Woche bleibt also keine Zeit, um die Rangliste zu erklimmen. Idealerweise sollten Entwickler ihr Spiel jedoch abseits der Arbeit spielen – und du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, dass wir das alle tun. Aber wie viel Zeit sollen wir neben der Arbeit noch in das Spiel investieren? Ich musste knapp 400 Spiele in zwei Monaten absolvieren, um die Herausforderer-Klasse zu erreichen – was einen Zeitaufwand von mehr als 300 Stunden in 8 Wochen bedeutete. Wenn wir diese Zeit zur Arbeitszeit zählen, dann wären das 25–30 zusätzliche Stunden pro Woche. Und das ergibt in Kombination mit einem Vollzeit-Job, der sich ebenfalls komplett um TFT dreht, das perfekte Rezept für ein Burnout. Im Idealfall sollten Entwickler eine gute Work-Life-Balance haben und auch abseits von TFT Erfahrungen sammeln können, um ein ausgewogenes Leben führen zu können. Zeit mit der Familie, andere Spiele, Sport usw. sorgen dafür, dass Entwickler wesentlich seltener Burnouts bekommen und machen sie zu besseren und gesünderen Menschen. Die Erwartung, ein Entwickler müsse zu den besten Spielern seines Spiels zählen, würde eine Arbeitswoche mit 70 Stunden (oder mehr) bedeuten, und das ist niemandem zumutbar, Entwickler oder nicht.

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Designverbesserungen

Nichtsdestotrotz SPIELEN gute Entwickler das Spiel, an dem sie arbeiten. Und das ist gut! Aber was sollen sie während dieser Zeit tun? Sollen sie versuchen, die Rangliste zu erklimmen und sich dabei an Anleitungen halten, auf bekannte Kombinationen setzen oder immer denselben Champion spielen? ODER sollen sie die Zeit lieber nutzen, um Möglichkeiten zu finden, das Spiel besser zu machen? Indem sie beispielsweise Champions ausprobieren, die sie normalerweise nicht spielen, um zu verstehen, welche Probleme sie haben, oder versuchen, herauszufinden, warum bestimmte Decks oder Karten auf einem höheren Spielniveau nicht mehr funktionieren? Wenn das Spiel besser werden soll, sollten die Entwickler auf jeden Fall Letzteres tun. Ich persönlich habe in früheren Sets nie die Herausforderer-Klasse erreicht, weil ich mich immer darauf konzentrierte, Dinge abseits des Metaspiels auszuprobieren, um herauszufinden, was verbessert werden muss. Doch diesmal bin ich bei den Teamzusammenstellungen geblieben, die ich kannte, habe im frühen Spielverlauf immer dieselben Gegenstände gebaut und stets auf Sieg gespielt, anstatt zu versuchen, etwas zu lernen. Und genau so etwas sollte ein Spieleentwickler eigentlich nicht tun. Stattdessen sollten unsere Entwickler auf Vi setzen, um herauszufinden, wie man sie zu einer guten Option für das Metaspiel machen kann, oder Amulett-Kombinationen ausprobieren und über mögliche Buffs für den Gegenstand nachdenken. Entwickler wissen genau, wie man Spiele gewinnt, da wir das täglich aus unseren Daten ablesen können, es täglich von den besten Spielern gesagt bekommen und täglich bei unseren Spielbalance-Diskussionen darüber sprechen – was Entwickler jedoch nicht so häufig sehen, sind Dinge, die nur selten gespielt werden, zu schwach sind oder noch nicht entdeckt wurden, weshalb sie sich beim Spielen auch genau darauf konzentrieren sollten.

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Verständnis für die Zielgruppe

Wenn dir das Spiel, das du spielst, gefällt, möchtest du, dass es auch bei anderen gut ankommt, damit es aufblüht. Und das erreicht man, indem man den Reiz des Spiels erhöht und es für ein breiteres Publikum zugänglich macht. Die Wahrheit, die wettkampforientierte Spieler gerne beiseiteschieben, ist, dass ein Spiel, das von Millionen von Spielern gespielt werden soll, auch Millionen von Spielern gefallen muss. Spieler auf hohen Niveaus und unerfahrene Designer machen häufig den Fehler, Spiele für sich selbst zu entwickeln, was dazu führt, dass sie unzugänglich werden. Und ja, das gilt bis zu einem gewissen Grad auch für TFT. Aber wir bessern uns langsam und führen immer mehr große zugängliche vertikale Attribute ein, die zwar nicht übermächtig stark, jedoch durchaus spielbar sind. Doch neben einer guten Zugänglichkeit ist es auch wichtig, unterschiedliche Entwickler mit verschiedenen Erfahrungen an Bord zu haben, um sicherstellen zu können, dass das Spiel Spieler jeden Niveaus und Spielstils ansprechen kann. Darum fragen wir uns auch immer, was TFT spaßig macht – und zwar nicht nur für uns selbst mit unseren Niveaus und Spielstilen, sondern für alle Spieler.

Ziehen wir als Beispiel die unterschiedlichen Versionen von Silco heran, die Chloe „Alice of Clubs“ Wright und der Rest des Teams für unsere Set-Aktualisierung „Neonnächte“ entwickelt haben. In einer sehr frühen Version führte Silco keine normalen Angriffe aus. Stattdessen erhielt er jede Sekunde für alle lebendigen Verbündeten Mana und verlieh ihnen mit seiner Fähigkeit einen Buff. Doch wirklich interessant wurde es erst am Ende des Kampfes, wo er ein Monster beschwor, das an das Monstrum des Attributs „Abscheulichkeit“ von „Abrechnung“ erinnerte. Silco konnte das Monster allerdings nur beschwören, wenn er keine Verbündeten mehr an seiner Seite hatte, die er mit seinem Buff hätte verstärken können. Diese Komplikation sorgte jedoch für Verwirrung, da sie von den Spielern dem Anschein nach zwei gegensätzliche Dinge verlangte: Auf der einen Seite sollte Silco viele Verbündete an seiner Seite haben, auf der anderen jedoch gar keine. Das Ziel war es, von den Spielern zu verlangen, ihre Teams möglichst lange am Leben zu halten, damit Silco seine Beschwörung wirken kann – in der Praxis war diese Mechanik jedoch nur verwirrend und drängte die Spieler dazu, reine Tank-Armeen aufzustellen, um genug Zeit für die Beschwörung herauszuschinden. Derartige Mechaniken können dem Spiel jede Menge Tiefe und Komplexität verleihen, da sie von den Spielern verlangen, perfekte Teams zusammenzustellen, in der Praxis macht es jedoch nicht nur keinen Spaß, gegen sie zu spielen, sondern sie sind für die meisten Spieler auch nicht intuitiv. Und da Silco sehr beliebt ist, setzten sich Chloe und das Team wieder ans Zeichenbrett, um ein Spielmuster zu entwickeln, das einfacher zu verstehen und spaßiger ist als eine „Spiel auf Zeit“-Strategie.

Unter diesen Vorzeichen stellten wir uns einmal mehr die Frage, was TFT zu einem spaßigen Spiel für alle Spieler macht.

Und ich kann dir an dieser Stelle verraten, dass sich diese Frage mit einer vielseitigen Gruppe aus Entwicklern wesentlich einfacher beantworten lässt. Es braucht mehr als nur hervorragende Spieler, um die Essenz dessen zu finden, was ein Spiel spaßig macht. Es braucht jede Menge unterschiedliche Erfahrungen, Spielphilosophien, Spielstile und Spielniveaus. Und ich bin stolz, sagen zu können, dass das TFT-Team genau darauf zurückgreifen kann – was auch an der wachsenden Beliebtheit von „Automaten und Apparate“ erkennbar ist.

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Schlussworte

Zu guter Letzt möchte ich noch auf den psychischen Stress eingehen, der entsteht, wenn man sein Lieblingsspiel permanent auf höchstem Niveau spielen möchte. Wir vergessen häufig eine simple Tatsache: Wir sind Gamer, weil Spielen Spaß macht. Wenn sich ein Entwickler also beim Aktualisieren des Händlers von seinem Arbeitsstress erholen möchte, dann sollte er das auch genießen können.

Ich könnte noch ewig über dieses Thema sprechen, möchte es aber mit der Tatsache abschließen, dass mir das Erreichen der Herausforderer-Klasse viel abverlangt hat. Ich befinde mich in der glücklichen Lage, eine wunderbare Frau zu haben, die wollte, dass ich „es den Hatern zeige“. Ich werde jedoch wahrscheinlich nie wieder versuchen, einen derart hohen Rang zu erklimmen. Das Erreichen eines hohen Rangs ist nicht gerade der beste Zeitvertreib, wenn der Entwickler (von TFT oder einem anderen Spiel) sein Spiel zum bestmöglichen Endprodukt machen möchte. Und ich hoffe, dass du mir zustimmst. Dass du nicht willst, dass die Entwickler deines Lieblingsspiels ausbrennen, sondern immer ihr Bestes geben können, um sicherzustellen, dass dein Lieblingsspiel genau das bleibt: dein Lieblingsspiel.